31. März 1915
Ich bin hier, deine Großmutter, Ann Rollins.
Ich kam um dir über die Vergebung und Gnade des Vaters‘ zu schreiben und dich auf diesem Gebiet zu erleuchten, welches so wenig verstanden wird, seit dem die Menschen anfingen, die Lehren des Herrn zu verzerren.
Vergebung ist jene Wirkweise des Göttlichen Geistes, welche den Menschen von allen Strafen seiner Sünde, die er begangen hat, befreit und es ihm erlaubt, sich von seinen bösen Gedanken und Taten abzuwenden und nach der Liebe des Vaters‘ zu ersuchen; und wenn er aufrichtig danach ersucht, wird er die Glückseligkeit finden, welche nur darauf wartet von ihm erlangt zu werden. Es verletzt kein Gesetz, welches Gott aufgestellt hat, um den Menschen daran zu hindern, den Strafen seiner Verletzungen des Gesetzes von Gott zu entgehen, welches sein Verhalten überwacht.
Das Gesetz des Ausgleichs, dass man das was man säht auch erntet, wird nicht außer Kraft gesetzt, aber in diesem speziellen Fall wo ein Mensch reumütig wird und in aller Aufrichtigkeit den Vater darum bittet ihm seine Sünden zu vergeben und ihn zu einem neuen Mann zu machen, so wird die Wirkung eines anderen und größeren Gesetzes hervorgerufen und das alte Gesetz des Ausgleichs wird außer Kraft gesetzt und gewissermaßen von der Macht dieses Gesetzes der Vergebung und Liebe verschlungen. Du siehst also, es wird kein Gesetz von Gott außer Acht gelassen. So wie in der physischen Welt einige kleinere Gesetze durch die größeren Gesetze überwunden werden, so verhält es sich auch in der geistigen Welt oder in der Wirkweise der spirituellen Dinge, die größeren Gesetze müssen die kleineren Gesetze überwiegen.
Gottes‘ Gesetze verändern sich nie, aber die Anwendung dieser Gesetze auf bestimmte Tatsachen und Bedingungen scheint sich zu ändern, wenn zwei Gesetze scheinbar in einen Konflikt geraten und das kleinere muss dem größeren den Platz räumen.
Die geistigen Gesetze sind genauso festgelegt, wie es die physischen Gesetze sind, welche über das materielle Universum herrschen; und kein Gesetz welches auf dieselbe Ansammlung von Fakten trifft wird sich je in seiner Wirkung oder in seinen Effekten unterscheiden.
Die Bewegungen der Sonne und der Planeten werden von vordefinierten Gesetzen bestimmt und sie wirken in solch einer exakten Weise, dass die Menschen welche diese Gesetze studieren und sie verstehen können, mit nahezu mathematischer Präzision die Bewegungen dieser himmlischen Körper vorhersagen können. Dies trifft aber nur zu, solange die Sonne und die Planeten so bleiben wie sie sind und von den selben Einflüssen umgeben sind und auf kein Gesetz in einer Weise treffen, welches den Gesetzen die normalerweise über sie entscheiden entgegensteht, diese Planeten und die Sonne werden ihre Bewegungen Jahr für Jahr auf dieselbe Weise und mit derselben Präzision nachgehen. Aber nehmen wir mal an, dass ein mächtigeres und gegensätzliches Gesetz zu wirken beginnt, nimmst du auch nur einen Moment an, dass sie demselben Verlaufen folgen würden, als wenn sich ein solches größeres Gesetz nicht eingemischt hätte?
Der Effekt von jenem Gesetz ist nicht, dass es das kleinere Gesetz beiseiteschiebt, oder es sogar verändert, sondern es unterwirft es durch die Wirkungen des größeren Gesetzes; und wenn diese Wirkungen entfernt werden oder aufhören zu wirken, wird das kleinere Gesetz seine Wirkung auf die Planeten wieder aufnehmen und sie würden sich in Einklang mit jenem Gesetz bewegen, genauso wie wenn seine Macht nie von dem größeren Gesetz betroffen gewesen wäre.
Wenn also ein Mensch auf Erden Sünden begangen hat und sich nun in der geistigen Welt befindet, verlangt das Gesetz des Ausgleichs danach, dass er eine Strafe für jene Sünden bezahlen muss, bis sie voll ausgeglichen wurden oder bis das Gesetz erfüllt worden ist. Und dieses Gesetz verändert sich nicht in seiner Wirkweise und kein Mensch kann es vermeiden oder von den unerbittlichen Verlangen dieses Gesetzes davon laufen. Er kann aus sich selbst heraus seine Strafen nicht um einen Deut oder ein Pünktchen (kaum messbare Menge) verringern, sondern muss bis zum letzten Viertelpenny bezahlen, wie es der Herr nannte und deshalb kann er nicht aus sich selbst heraus darauf hoffen, die Wirkungen jenes Gesetzes zu verändern.
Aber, der Schöpfer von allen Gesetzen hat ein anderes, höherstehendes Gesetz zur Verfügung gestellt, welches unter bestimmten Umständen hervorgerufen werden kann und welches das vorhergenannte Gesetz an seiner Wirkung hindert und der Mensch kann die positive Wirkung jenes höheren Gesetzes selbst erfahren. Wenn also Gott einem Menschen seine Sünden vergibt und aus ihm ein neues Geschöpf macht, nach seiner Art und Liebe, so löscht er in diesem Fall nicht das Gesetz des Ausgleichs aus, sondern entfernt das, worauf das Gesetz wirken könnte.
Eine Sünde stellt eine Verletzung von Gottes‘ Gesetzen dar und der Effekt einer Sünde ist die Strafe, welche mit so einer Verletzung einhergeht. Das Leiden eines Menschen für seine begangenen Sünden ist nicht das Ergebnis von Gottes‘ spezieller Verachtung für jeden einzelnen Fall, sondern das Ergebnis der Wirkung und Geißelung durch sein Gewissen und seine Erinnerungen und solange wie das Gewissen seine Arbeit verrichtet wird er Leiden und je größer die Sünden waren, die begangen wurden, desto größer wird auch das Leiden sein. Nun, all dies legt nahe, dass die Seele eines Menschen zu einem mehr oder weniger großen Ausmaß mit solchen Erinnerungen gefüllt ist, welche für den Moment sein vollständiges Leben ausmachen. Er lebt mit diesen Erinnerungen und dem Leiden und der Qual, welche von ihnen ausgehen können ihn nicht verlassen, außer die Erinnerungen jener Sünden, oder das Ergebnis von ihnen, hört auf ein Teil von ihm selbst zu sein und seine ständigen Begleiter zu sein, dies ist das unerbittliche Gesetz des Ausgleichs und der Mensch hat aus sich selbst heraus keine Möglichkeit diesem Gesetz zu entkommen, außer durch lang andauernde Wiedergutmachung, welche diese Erinnerungen entfernt und das Gesetz zufrieden stellt.
Die Menschen können jenes Gesetz nicht ändern und Gott wird es nicht ändern. Also verhält es sich so, wie ich gesagt habe, das Gesetz verändert sich nie. Aber erinnere dich an diese Tatsache, dass ein Mensch über jene Erinnerungen verfügen muss, damit dieses Gesetz seine Wirkung verrichten kann und sie müssen teil seines jetzigen Lebens sein.
Nun nehmen wir mal an, dass der Erschaffer jenes Gesetzes ein anderes Gesetz geschaffen hat, welches unter bestimmten Bedingungen und auf bestimmte Taten eines Menschen hin diese Erinnerungen von ihm entfernt und sie nicht länger zu einem Teil seines Lebens macht; so frage ich dich, was befindet sich in jenem Menschen oder haftet ihm an, auf dass das Gesetz des Ausgleichs Wirken könnte? Das Gesetz wurde nicht verändert, es wurde nicht einmal von einem anderen Gesetz verdrängt, aber das worauf es wirken könnte existiert nicht länger und in Folge dessen gibt es keinen Grund oder irgendwelche Tatsachen welche die Wirkung des Gesetzes hervorrufen.
Ich sage also, so wie es eure Wissenschaftler und Philosophen tun, dass die Gesetze Gottes‘ festgelegt und unveränderlich sind, aber ich sage des Weiteren etwas, was sie nicht wahrzunehmen vermögen, dass bestimmte Bedingungen welche heutzutage die Wirkung jener Gesetze hervorrufen, in der Zukunft sich verändern können oder aufhören können, zu existieren, so dass die Gesetze nicht länger wirksam sind.
Und wenn also die Wahrheiten über Gottes‘ Vergebung der Sünden verkündet wurden, werden viele weise alte Männer ihre Hände erheben und rufen: „Gottes‘ Gesetze verändern sich nicht und selbst Gott kann sie nicht verändern. Und um die Vergebung von Sünden hervorzurufen, muss das Gesetz des Ausgleichs verletzt werden. Gott vollbringt kein solches Wunder oder spezielle Zuwendungen. Nein, der Mensch muss die Strafe für seine bösen Taten bezahlen, bis das Gesetz erfüllt ist.“
Wie begrenzt ist doch das Wissen der Sterblichen und auch der Geister, über die Macht und Weisheit und Liebe des Vaters. Seine Liebe ist das größte Ding im ganzen Universum und das Gesetz der Liebe ist das größte Gesetz. Jedes andere Gesetz unterliegt ihm und muss in Einklang mit ihm arbeiten; und wenn Liebe, die Göttliche Liebe des Vaters‘, einem Menschen verliehen wird und er sie besitzt, so ist dies die Erfüllung aller Gesetze. Diese Liebe befreit den Menschen von allen Gesetzen, außer dem Gesetz seiner selbst und wenn der Mensch diese Liebe besitzt, so ist er kein Sklave irgendeines Gesetzes und ist wahrhaftig frei.
Das Gesetz des Ausgleichs und alle Gesetze die nicht in Harmonie mit dem Gesetz der Liebe sind, besitzen in dem Fall eines solchen Menschen nichts worauf sie wirken könnten und die Gesetze Gottes‘ wurden nicht verändert, sie existieren lediglich nicht mehr, soweit es jenen Menschen betrifft.
Nun, lass alle Menschen, weise und unweise, wissen, dass Gott in Seiner Liebe und Weisheit den Menschen eine Möglichkeit gegeben hat, diesem unveränderlichen Gesetz des Ausgleichs zu entkommen, wenn sie es denn wollen, und sie nicht länger zu Gegenständen dessen Erfordernissen und Strafen macht; und jene Möglichkeit ist simpel und einfach und sie liegt innerhalb der Verständnismöglichkeit einer jeden lebenden Seele, und jede solche kann auch darauf zurückgreifen, ob sie nun ein Heiliger oder Sünder ist, ein weise Mann oder ein ungebildeter.
Der Intellekt, im Sinne des gelernten, ist nicht daran beteiligt, sondern der Mensch, der weiß, dass Gott existiert und ihn mit Nahrung und Kleidung als Ergebnis seiner täglichen Arbeit versorgt, wie auch der große intellektuelle Wissenschaftler und Philosoph, beide mögen den Weg zu diesen erlösenden Wahrheiten lernen. Ich meine damit nicht, dass ein Mensch, durch die bloße Ausübung seiner Willenskräfte in den Genuss dieses großartigen Geschenks der Vergebung gelangen kann. Die Seele muss darum ersuchen und sie wird es finden und die Seele des Weisen mag nicht so sehr in der Lage dazu sein, wie die Seele eines Ungebildeten.
Gott ist Liebe. Der Mensch verfügt über eine natürliche Liebe, aber diese natürliche Liebe reicht nicht dazu aus, ihn diese großartigen Möglichkeiten entdecken zu lassen, von denen ich rede. Nur die Göttliche Liebe des Vaters reicht dazu aus und Er findet, dass alle Menschen über diese Liebe verfügen sollten. Sie ist kostenlos und wartet nur darauf, der ganzen Menschheit geschenkt zu werden, aber so seltsam das erscheinen mag, Gott wird diese Liebe nicht, man könnte auch sagen, kann diese Liebe nicht dem Menschen schenken, außer der Mensch bittet darum, in Aufrichtigkeit und Glauben.
Der Wille des Menschen ist ein wundervolles Geschenk und er steht zwischen ihm und jener Liebe, wenn er darin fehlschlägt seinen Willen dazu zu benutzen, nach jener Liebe zu ersuchen. Kein Mensch kann sie gegen seinen eigenen Willen erwerben. Was für eine wundervolle Angelegenheit der Wille des Menschen doch ist und wie sehr sollte er studieren und lernen, was für ein großartiger Teil seines Daseins er doch ist.
Die Liebe des Vaters kommt nur dann in die Seele eines Menschen, wenn er darum in Gebet und Glauben ersucht und natürlich bedeutet das, dass er gewillt sein muss, dass sie zu ihm kommt. Diese Liebe wird niemals einem Menschen verweigert werden, wenn er in geeigneter Weise darum bittet.
Nun, diese Liebe ist ein Teil jener Göttlichen Essenz und wenn ein Mensch in den Besitz dieser Liebe in ausreichendem Überschuss kommt, so wird die Göttlichkeit ein Teil seines selbst und im Göttlichen gibt es keine Sünde und keine fehlerhafte Anschauung und folgerichtig kann keine Sünde oder fehlerhafte Anschauung ein Teil seines selbst werden, wenn er ein Teil dieser Göttlichkeit wird.
Nun, wie ich bereits gesagt habe, verfügt ein Mensch der diese Liebe nicht besitzt Erinnerungen an sündhafte und böse Taten und er muss aufgrund des Gesetzes des Ausgleichs dafür Strafe zahlen. Dennoch, wenn diese Göttliche Liebe seine Seele betritt, so lässt sie keinen Platz für solche Erinnerungen und so wie er mehr und mehr voll an dieser Liebe wird, so verschwinden diese Erinnerungen und schlussendlich bewohnt gewissermaßen nur noch jene Liebe seine Seele. Deshalb verbleibt nichts in ihm, auf was jenes Gesetz wirken könnte und der Mensch ist nicht länger sein Sklave oder Ziel. Jene Liebe reicht aus sich selbst heraus aus, um die Seele von allen Sünden und fehlerhaften Anschauungen zu befreien und sie Eins mit dem Vater werden zu lassen.
Dies ist die Vergebung von Sünden, oder besser gesagt, dass Ergebnis der Vergebung. Wenn ein Mensch zum Vater betet und um Vergebung bittet, so stellt Gott sich nie taub, sondern sagt, in der Tat: „Ich werde dich von deinen Sünden befreien und dir meine Liebe schenken, ich werde das Gesetz des Ausgleichs nicht außer Kraft setzen oder verändern, sondern ich werde alles von deiner Seele herauslösen, auf was jenes Gesetz wirken könnte und soweit es dich betrifft wird es so sein, als hätte es nie existiert.“
Ich weiß aus deiner[1] persönlichen Erfahrung, dass diese Vergebung echt ist und etwas ist, was tatsächlich existiert und wenn der Vater vergibt, so verschwindet die Sünde und es existiert nur noch Liebe und ich weiß dass jene Liebe, dass Liebe in ihrer Gänze das Erfüllen des Gesetzes ist.[2]
Lass die Menschen also Wissen, dass Gott Sünden vergibt und wenn Er sie vergibt so verschwindet auch die damit verbundene Strafe und wenn sie verschwindet, als Ergebnis einer solchen Vergebung, so wird kein Gesetz von Gott verändert oder verletzt.
Dies war die große Aufgabe welche Jesus zu Teil wurde, als er auf die Erde kam. Bevor er kam und seine großen Wahrheiten lehrte, wurde die Vergebung der Sünden nicht verstanden, selbst von den hebräischen Lehrern deren Lehrmeinung die eines „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ war. Die Göttliche Liebe war, wie ich es lasch beschrieben haben, nicht bekannt und es wurde auch nicht um sie ersucht, es wurde nur um Fürsorge und Schutz und materielle Vorteile gebeten, welche Gott den Hebräern zu Teil werden lassen könnte.
Das Einkehren der Göttlichen Liebe in die Seele eines Menschen und das Besitzergreifen der Göttlichen Liebe von der Seele eines Menschen stellt die Wiedergeburt dar und ohne jene kann kein Mensch das Königreich Gottes‘ erblicken.
Mein lieber Sohn, ich habe dir eine lange, aber nicht perfekte Mitteilung geschrieben, aber es ist genügend darin worüber die Menschen nachdenken können und darüber meditieren können und wenn sie dies tun und ihre Seele dem Göttlichen Einfluss gegenüber öffnen, so werden sie erkennen, dass Gott die Sünde vergeben kann und die Menschen von der aus ihr resultierenden Strafe befreien kann, so dass sie nicht die lange Zeit der Sühne durchmachen müssen, welche das Gesetz des Ausgleichs in ihrem natürlichen Zustand immer verlangen wird.
Ohne also noch weiter darüber zu schreiben, möchte ich dir sagen, dass ich dich von ganzem Herzen und aus meiner ganzen Seele heraus liebe und zum Vater bete, dass er dir diese Großartige Liebe schenken möge, in all ihrem Überfluss.
Deine dich liebende Großmutter,
Ann Rollins
Zurück | Weiter
[1] Anm. d. Übers.: Im englischen Original steht hier „your“ was „dein(e)“ heißt, ich möchte aber anmerken, dass dies hier keinen Sinn macht, es ist sehr wahrscheinlich gemeint, dass die Großmutter von Padgett von ihrer eigenen Erfahrung berichtet.
[2] Anm. d. Übers.: Gemeint ist hier sehr wahrscheinlich das Gesetz der (Göttlichen) Liebe, welches das höchste Gesetz darstellt und somit das Erfüllen jenes Gesetzes dem Erfüllen aller ihm unterstehenden Gesetze gleichkommt.